{"id":957,"date":"2013-09-12T12:30:57","date_gmt":"2013-09-12T10:30:57","guid":{"rendered":"http:\/\/hotel-domschatz.de\/?p=957"},"modified":"2015-05-18T15:11:35","modified_gmt":"2015-05-18T13:11:35","slug":"wilhelm-steuerwaldt-comeback-eines-romantischen-harzmalers","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/blog\/wilhelm-steuerwaldt-comeback-eines-romantischen-harzmalers\/","title":{"rendered":"Wilhelm Steuerwaldt \u2013 Das Comeback eines romantischen Harzmalers"},"content":{"rendered":"

Unser Haus kann zurecht als K\u00fcnstlerhaus bezeichnet werden: Ab 1867 verbrachte hier der Quedlinburger Maler Wilhelm Steuerwaldt mit seiner Familie mehrere Lebensjahre. Steuerwaldt eroberte mit seinen romantischen Werken bereits zu Lebzeiten die Herzen des Publikums. Seine bekannteste Arbeit zeigt den Blick durch eine gotische Vorhalle auf die Klosterruine Heisterbach in einer verschneiten Winterlandschaft. Ein Gem\u00e4lde mit diesem Bildmotiv schaffte es bis in den Louvre und ist bis heute in Paris im Mus\u00e9e d’Orsay zu sehen. Steuerwaldts Aufstieg folgte ein tiefer Fall. Nach seinem Tod legte sich ein dunkler Schleier auf sein k\u00fcnstlerisches Verm\u00e4chtnis. Noch bis vor Kurzem stand er im Schatten seines Lehrers Hasenpflug, der selbst bei Kunstkennern als geistiger Vater des bekannten Vorhalle-Ruine-Motivs galt. Mit diesen verkl\u00e4rten Vorstellungen r\u00e4umt der Steuerwaldt-Experte Heiko G\u00fcnther auf. Mit seinem Buch \u00bbWilhelm Steuerwaldt \u2013 Auf den Spuren eines romantischen Harzmalers\u00ab leistet er Pionierarbeit und legt die erste umfassende Biografie zum Leben und Werk des Quedlinburger Malers vor. Wir haben uns mit Heiko G\u00fcnther in unserem Hotel Domschatz getroffen.<\/p>\n

\"Wilhelm

Wilhelm Steuerwaldt,
Foto: Portr\u00e4t, Standort Klopstockhaus, fotografiert von Heiko G\u00fcnther, Mit freundlicher Genehmigung des Schlossmuseums Quedlinburg.<\/p><\/div>\n

Es ist das Jahr 1834. Auf der vierten Halberst\u00e4dter Kunstausstellung deb\u00fctiert ein junger Maler aus Quedlinburg mit f\u00fcnf Gem\u00e4lden. Darunter ist ein Werk mit dem Titel \u00bbBlick aus Torbogen auf Burg Falkenstein\u00ab. Es zeigt eine halb ausgeleuchtete mittelalterliche Vorhalle mit einem massiven Torbogen im Vordergrund, durch die der Blick auf die Burg Falkenstein freigegeben wird, die hoch \u00fcber dem Selketal auf einem Felsen bei Quedlinburg trohnt. Unter den Augen des Rittergutsbesitzers von Spiegel sowie des Apothekers Lucanus, die als Halberst\u00e4dter M\u00e4zene der Ausstellung vorstehen, beginnt die Karriere eines Mannes, dessen Name mit eben jener Bildkomposition schicksalhaft verbunden sein wird: Wilhelm Steuerwaldt.<\/p>\n

Zeitsprung in die Gegenwart. Im Jahr 2002 entdeckt Heiko G\u00fcnther beim Bl\u00e4ttern in einem Ausstellungskatalog zum Werk des Steuerwaldt-Lehrers Carl Hasenpflug verschiedene Bilder, die eine Vorhalle mit einer Burgruine in einer Winterlandschaft zeigen. Bei einem Besuch im Quedlinburger Klopstockhaus sieht Heiko G\u00fcnther, der sich f\u00fcr mittelalterliche Burgen und Schl\u00f6sser begeistert, das gleiche Motiv auf einem ausgestellten Gem\u00e4lde. Beim Blick auf die Bildbeschreibung stellt er erstaunt fest, dass die Arbeit von Wilhelm Steuerwaldt stammt. Der Name sagt ihm zun\u00e4chst nicht viel. Bei ersten Nachforschungen stellt G\u00fcnther fest, dass die Informationen \u00fcber den Quedlinburger Maler d\u00fcrftig sind. Angeregt durch die pers\u00f6nliche Bitte von Dr. Antje Ziehr, Mitautorin des Ausstellungskatalogs zum Werk Hasenpflugs, beginnt Heiko G\u00fcnther mit der Recherche zu seinem sp\u00e4teren Buch.<\/p>\n

Heiko G\u00fcnther hat den Felsen gefunden, auf dem er sein Buch errichten kann<\/strong><\/p>\n

Das Leben von Wilhelm Steuerwaldt zu erforschen, ist mit einer Detektivarbeit vergleichbar. Heiko G\u00fcnther, im Hauptberuf Polizeibeamter, hat darin einige \u00dcbung. Er beginnt mit dem Quedlinburger Kirchenarchiv, um die Lebensdaten des K\u00fcnstlers zu erfahren. Er durchforstet Bibliotheken und informiert sich bei Auktionsh\u00e4usern. Es ist eine langwierige Angelegenheit, wie das Malen eines Bildes.<\/p>\n

L\u00e4ngst ist die Erinnerung an Steuerwaldt verblasst. Seine Werke sind verstreut in Deutschland und Europa, befinden sich in Museen oder Privatsammlungen. Niemand wei\u00df wieviele Werke es sind, es gibt keinen genauen \u00dcberblick. G\u00fcnther st\u00f6\u00dft auf ein Buch des Quedlinburgers Johannes Spitzmann mit dem Titel \u00bbDer Harz in der Malerei der Romantik\u00ab aus dem Jahr 1934. Ein paar Seiten widmet Spitzmann dem Maler Steuerwaldt. Zu wenig, um ein umfassendes Bild \u00fcber das Leben des Malers zu bekommen. Genug, um mit der eigentlichen Recherche zu beginnen: Heiko G\u00fcnther hat den Felsen gefunden, auf dem er sein Buch errichten kann.<\/p>\n

Kindheit und Ausbildung<\/strong><\/p>\n

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Gem\u00e4lde von Wilhelm Steuerwaldt<\/p><\/div>\n

Steuerwaldt wird am 1. September 1815 im Quedlinburger Finkenherd geboren. Die Entbindung findet zu Hause statt. Zu dieser Zeit ist es \u00fcblich, dass eine Innenraumt\u00fcr ausgeh\u00e4ngt wird, auf der die Schwangere das Kind zur Welt bringt. Der Vater ist Strumpfwebermeister, wie dessen Vater zuvor. Sp\u00e4ter verdient er seinen Lebensunterhalt als Zeichenlehrer und als Verwalter der Kirchenkassen. Von der Mutter ist nur der Name Margaretha Elisabeth bekannt. Sie stirbt sieben Jahre nach der Geburt. Auch ohne genau zu wissen, wie sehr dieses Ereignis Steuerwaldt belastet hat: Der Verlust der Mutter z\u00e4hlt zu den einschneidenden Erlebnissen im Leben eines jeden Menschen.<\/p>\n

Die Begeisterung f\u00fcr das Zeichnen \u00fcbernimmt der junge Wilhelm vom Vater. Es ist sehr wahrscheinlich, dass er regelm\u00e4\u00dfig einen Blick in die Zeichenmappe wirft, mit Arbeiten des Vaters und anderer K\u00fcnstler. Die Kupferstiche, Lithografien und Deckfarbenbl\u00e4tter zeigen Landschaften sowie Architekturabbildungen von Burgen und Schl\u00f6ssern der heimatlichen Gegend. Es liegt nahe, dass der Junge in den Momenten der Versenkung \u00fcber den Bildern nachhaltig inspiriert wurde.<\/p>\n

Der f\u00fcnfzehnj\u00e4hrige Wilhelm beginnt im Jahre 1830 eine Ausbildung beim Halberst\u00e4dter Maler Georg Carl Adolph Hasenpflug. Es entsteht eine Freundschaft, die bis zum Tode des Lehrers anhalten wird und das Leben von Steuerwaldt ma\u00dfgeblich beeinflusst. Der Lehrling bekommt eine Ausbildung als Zeichner und Korrektor. Auch die Lithografietechnik steht auf dem Stundenplan. So erg\u00e4nzt Steuerwaldt in einer lithografischen Abbildung des Halberst\u00e4dter Domplatzes Seitenteile der Kirche und Geb\u00e4ude.<\/p>\n

Es w\u00e4re eine kleine Sensation: Hat Steuerwaldt zuerst diese Bildkomposition gemalt?<\/strong><\/p>\n

Mit Sicherheit kannte Steuerwaldt das von Hasenpflug 1827 gemalte Bild \u00bbRomanische Kirchenruine im Winter\u00ab. Der Anblick des Werkes k\u00f6nnte als Inspiration gedient haben, die Steuerwaldt in zwei Bildern w\u00e4hrend seines ersten Lehrjahres verarbeitet hat. Schon die Titel lassen aufhorchen: \u00bbBlick aus Gew\u00f6lbe auf Kirchenruine\u00ab und \u00bbRomanische Halle mit Blick auf Kirchenruine im Harz\u00ab. Sp\u00e4testens hier wird es interessant: War Steuerwaldt der erste von beiden, der diese Bildkomposition gemalt hat? Das w\u00e4re eine kleine Sensation, galt doch bislang Hasenpflug als Urheber.<\/p>\n

Genau das ist die Vermutung von Heiko G\u00fcnther, der seine These griffig auf den Punkt bringt: \u00bbSteuerwaldt ist der geistige Vater und Hasenpflug der Geburtshelfer.\u00ab<\/p>\n

G\u00fcnther liefert daf\u00fcr eine schl\u00fcssige Argumentation. Von Hasenpflug sind Bilder mit \u00e4hnlichen Motiven erst ab 1836 nachweisbar. W\u00e4hrend Steuerwaldt flei\u00dfig an seiner genialen Idee arbeitet, ist Hasenpflug noch mit der Abbildung von Domen besch\u00e4ftigt.<\/p>\n

Studium an der D\u00fcsseldorfer Akademie<\/strong><\/p>\n

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Wilhelm Steuerwaldt: Bleistiftzeichnung der Burg Falkenstein<\/p><\/div>\n

Seinem Lehrmeister hat Steuerwaldt es zu verdanken, dass er im Jahre 1833 ein Studium an der D\u00fcsseldorfer Akademie aufnehmen kann. W\u00e4hrend seines Besuchs in D\u00fcsseldorf bei seinem Studienfreund Carl Friedrich Lessing, den er noch aus der gemeinsamen Zeit an der Berliner Akadamie kennt, setzt sich Hasenpflug f\u00fcr seinen Lehrling ein. Er trifft ebenfalls den Direktor der D\u00fcsseldorfer Akademie Friedrich Wilhelm von Schadow und besiegelt damit den Umzug seines Lehrlings Steuerwaldt von Quedlinburg in die Rhein-Metropole. Mit Lessing und von Schadow zeigt Hasenpflug, dass er \u00fcber eine gro\u00dfe Portion \u00bbVitamin B\u00ab verf\u00fcgt: Die beiden K\u00fcnstler gelten als die Begr\u00fcnder der bekannten D\u00fcsseldorfer Malschule.<\/p>\n

Steuerwaldt profitiert k\u00fcnstlerisch von der Ausbildung an der angesehenen Einrichtung. Auch wenn f\u00fcr ihn die Anfangszeit eher schwierig ist. In der Sch\u00fclerakte ist vermerkt: \u00bbBegabung: wenig. Kommentar: K\u00f6nnte mit der Zeit was werden\u00ab. Steuerwaldt wei\u00df, dass er Landschaftsmaler werden will. Portrait- und Historienmalerei, die ebenfalls zum Studienprogramm geh\u00f6ren, sind nicht seine St\u00e4rke. Trotzdem bei\u00dft er sich durch und liefert mit dem \u00d6lgem\u00e4lde \u00bbKirchenbesucher vor einem Kirchenportal\u00ab eine passable Portraitarbeit ab.<\/p>\n

Sein Lehrer an der D\u00fcsseldorfer Akademie ist Johann Wilhelm Schirmer. Er ist einer der f\u00fchrenden K\u00f6pfe der Landschaftsmalerei an der Akademie. Sein Einfluss auf Steuerwaldt tritt immer deutlicher zu Tage. Von Schirmer \u00fcbernimmt Steuerwaldt den Bildaufbau von Vorder-Mittel-Hintergrund. Auch die vom Studienlehrer verschm\u00e4hten gr\u00fcnen Bl\u00e4tter in den Baumspitzen bei blauem Himmel werden von Steuerwaldt gewissenhaft gemieden. Sogar das Monogramm \u00fcbernimmt der Quedlinburger von Schirmer, in leicht abgewandelter Form.<\/p>\n

Steuerwaldt verl\u00e4sst die Akademie offenbar vor dem regul\u00e4ren Ende der Studienzeit. Die Gr\u00fcnde daf\u00fcr gehen aus den bislang bekannten Unterlagen nicht hervor. \u00dcberliefert ist seine Abgangsbescheinigung vom 14. April 1836:<\/p>\n

\u00bbWilhelm Steuerwaldt aus Quedlinburg, Sch\u00fcler der Akademie in der Kla\u00dfe der Landschaftsmaler, erh\u00e4lt hiermit die Bescheinigung: da\u00df sein Flei\u00df und sein Betragen lobenswerth und seinen Vorhaben auf einige Zeit zum Behuf des landschaftkichen Naturstudiums nach den Gegenden des Harzes zu reisen, seitens der Anstalt kein Hinderni\u00df im Wege stehen.\u00ab<\/p><\/blockquote>\n

Steuerwaldt kehrt nach Quedlinburg zur\u00fcck<\/strong><\/p>\n

\"wilhelm-steuerwaldt-bodetal\"

Wilhelm Steuerwaldt: Bodetal. Im Besitz von Heiko G\u00fcnther.<\/p><\/div>\n

Nach der R\u00fcckkehr in seine Geburtsstadt Quedlinburg beginnt f\u00fcr Steuerwaldt die schaffensreichste und sicher auch gl\u00fccklichste Zeit seines Lebens. Er macht sich als K\u00fcnstler selbstst\u00e4ndig. Nat\u00fcrlich wei\u00df er, dass es ein finanzielles Wagnis bedeutet. Er geht das Risiko ein, denn er kennt die Preise, die sein Lehrer Hasenpflug erzielt. Manche Bilder gehen f\u00fcr 1000 Taler \u00fcber den Tisch. Es ist ein Preis, den Steuerwaldt mit seinen Arbeiten zu Lebzeiten nicht erreichen wird. Von dem Geld, das Hasenpflug f\u00fcr ein Bild bekommt, l\u00e4sst es sich gut leben. Eine f\u00fcnfk\u00f6pfige Familie ben\u00f6tigt um das Jahr 1850 gerade 3,5 Taler pro Woche.<\/p>\n

Steuerwaldt h\u00e4lt Quedlinburg und das Umland in seinen Bildern fest. Beeindruckende Motive gibt es hier genug. Es ist eine Liebeserkl\u00e4rung an seine wundersch\u00f6ne Geburtsstadt und die faszinierende Harzlandschaft. Er malt Stadtansichten von Quedlinburg, die Krypta und die Kunstsch\u00e4tze im Zittergew\u00f6lbe der Stiftsskirche St. Servatius sowie die Kirche St. Wiperti. Auf seinen Wanderungen durch den Harz verewigt er das Bodetal und die Ro\u00dftrappe.<\/p>\n

Steuerwaldt ist ein Sp\u00e4tromantiker. Seine Arbeiten sind ein Paradebeispiel f\u00fcr die romantische Stilrichtung. Das Gef\u00fchl r\u00fcckt in den Mittelpunkt. Leidenschaft und individuelles Erleben werden zum Antrieb des menschlichen Handelns. Es gibt keine besseren Projektionsfl\u00e4chen f\u00fcr die Geisteshaltung der Romantiker als die nebelverhangenen W\u00e4lder und Berge, die mystischen Kloster- und Burgruinen, die bis heute \u00fcberall in Deutschland zu sehen sind. Die Natur, die \u00fcber Jahrhunderte den Menschen Angst eingefl\u00f6\u00dft hatte, wird nun zum Ort der Besinnung. Praktischerweise liegen die Bildmotive direkt vor der Haust\u00fcr. Es sind keine langen Reisen n\u00f6tig. Casper David Friedrich leutete Jahrzehnte zuvor die romantische Wende in der Malkunst ein. Bilder wie \u00bbWanderer \u00fcber dem Nebelmeer\u00ab und \u00bbFelspartie im Harz\u00ab h\u00e4ngen bis heute in deutschen Wohnstuben.<\/p>\n

Als gro\u00dfer Freund von Kloster- und Burgruinen ist Steuerwaldt ein musterg\u00fcltiger Romantiker. Er malt sie immer und immer wieder. Er malt die Burgruine Arnstein in der N\u00e4he von Aschersleben und die Burg Falkenstein in der N\u00e4he von Quedlinburg. Seine Bilder kommen an beim Publikum. Er best\u00fcckt Ausstellungen in Berlin, Bremen und Braunschweig. Auch in Leipzig, Magdeburg und Halle werden seine Arbeiten gezeigt.<\/p>\n

Kreativer Urknall: Gem\u00e4lde mit dem Motiv der Klosterruine Heisterbach<\/strong><\/p>\n

\"Wilhelm

Gem\u00e4lde mit dem Motiv der Klosterruine Heisterbach von Wilhelm Steuerwaldt,
Mit freundlicher Genehmigung des Kulturhistorischen Museums Magdeburg.<\/p><\/div>\n

Im Jahr 1842 kommt es zum kreativen Urknall: Steuerwaldt erschafft das Gem\u00e4lde mit dem Motiv der Klosterruine Heisterbach. Damit trifft er genau ins Schwarze. Die Ruine im Siebengebirge ist den Menschen noch in Erinnerung. Die Nachricht vom geplanten Abriss hatte Jahre zuvor Proteste in der Bev\u00f6lkerung verursacht. Auf dem Gem\u00e4lde ist der Blick durch den Torbogen einer gotischen Vorhalle auf die winterliche Ruine zu sehen. Es ist Melancholie pur. Und es ist ein Meisterwerk. Das sieht auch das Publikum. Von den Kopien dieses und \u00e4hnlicher Motive, die sie im Auftrag von zahlungskr\u00e4ftigen Kunden anfertigen, k\u00f6nnen Steuerwaldt und Hasenpflug ungef\u00e4hr 25 Jahre sehr gut leben. Die Bilder der Klosterruine Heisterbach werden sogar nach Schottland, England und die USA verkauft.<\/p>\n

Dass Steuerwaldt der Erschaffer des Motivs ist und nicht Hasenpflug, wie lange angenommen, geh\u00f6rt zur zweiten interessanten These des Buchautors Heiko G\u00fcnther: \u00bbWie schon beim Vorhalle-Ruine-Motiv ist auch bei der Ruine Heisterbach kein Bild von Hasenpflug bekannt, das er zeitlich vor Steuerwaldt angefertigt h\u00e4tte.\u00ab Wurde aus heutiger Perspektive Steuerwaldt zweimal um seinen wohlverdienten Ruhm gebracht?<\/p>\n

Was wir wissen ist, dass Steuerwaldt vor und nach seinem Tod im Schatten seines Lehrers Hasenpflug steht. Er hat sein Schicksal an seinen Meister gekettet. Die Situation erinnert an Goethes Faust. Steuerwaldt kennt das Drama gut. Ein Motiv daraus malte er in fr\u00fcheren Jahren.<\/p>\n

Schicksalsschl\u00e4ge in Steuerwaldts Leben: Es ziehen dunkle Wolken am Himmel auf<\/strong><\/p>\n

Zun\u00e4chst scheint alles in Ordnung. Das Leben ist sch\u00f6n f\u00fcr Wilhelm Steuerwaldt. Er wohnt im Klopstockhaus, das er zusammen mit seinem Vater im Jahr 1839 gekauft hat. Bald findet er auch sein pers\u00f6nliches Gl\u00fcck. Im Jahr 1851 heiratet er Sophie Luise Ernestine Ullrich, Tochter eines Finanzverwalters am Ballenstedter Schloss. Es ist eine Liebesheirat, die von der Geburt eines Sohnes im Jahr 1857 gekr\u00f6nt wird.<\/p>\n

Dann ziehen dunkle Wolken am Himmel auf. Seine Frau stirbt an den Folgen der Geburt. Nach dem fr\u00fchen Verlust der Mutter ist das der zweite Schicksalsschlag f\u00fcr Steuerwaldt. Er heiratet bereits sieben Monate sp\u00e4ter. Er m\u00f6chte, dass sein Sohn mit einer Mutter aufw\u00e4chst. Sie ist die Tochter des Lehrers Christian Friedrich R\u00f6hl, der Nachbar der Familie Steuerwaldt. Den Umst\u00e4nden zu urteilen ist es im Unterschied zur ersten Ehe eine Vernunftheirat aus Sorge um das Wohl des Kindes.<\/p>\n

Die n\u00e4chste Hiobsbotschaft ereilt den Maler im Jahr 1858. Sein Lehrer, langj\u00e4hriger Weggef\u00e4hrte und v\u00e4terlicher Freund Georg Carl Adolph Hasenpflug ist tot. Die Nachricht muss Steuerwaldt tief getroffen haben. Er hat nicht nur seinen F\u00f6rderer sondern auch seinen kreativen Bezugspunkt verloren. Viele Jahre profitiert er von der Zusammenarbeit mit Hasenpflug, verkn\u00fcpft sein Schicksal mit dem des Meisters. Jetzt schl\u00e4gt das Pendel um.<\/p>\n

Karriere als K\u00fcnstler: Der Anfang vom Ende<\/strong><\/p>\n

Bereits in den vergangenen Jahren stellen Hasenpflug und Steuerwaldt fest, dass sich der Publikumsgeschmack ver\u00e4ndert hat. Die Menschen verlangen nach lebendigen Genre- und Historienbildern, auf Kosten von Werken mit Motiven von Burg- und Klosterruinen. Der ver\u00e4nderte Geschmack des Publikums ist ein Echo auf die gesellschaftlichen Umw\u00e4lzungen der Zeit. Es ist das Vorzeichen f\u00fcr einen sich wandelnden Zeitgeist. Die gescheiterte M\u00e4rzrevolution des B\u00fcrgertums von 1848 begrub die Hoffnungen auf Demokratie, Unabh\u00e4ngigkeit und nationale Einheit. Preu\u00dfen hatte gesiegt. Die Ausrufung des Deutschen Kaiserreiches 1871 und das wilhelminisch gepr\u00e4gte Deutschland sollten ein knappes Jahrzehnt nach dem Tod von Hasenpflug die Mentalit\u00e4t im Land ver\u00e4ndern. Der Steuerwaldt-Experte Heiko G\u00fcnther erkl\u00e4rt es so: \u00bbMit einem Genrebild, das eine Alltagszene aus dem Leben der Menschen erz\u00e4hlte, oder einem heroisch gemalten Portrait eines preu\u00dfischen Feldherren konnte sich das Publikum besser identifizieren. Die romantischen Motive von nebelverhangenen W\u00e4ldern und mystischen Ruinen passten nicht mehr in die Zeit.\u00ab<\/p>\n

F\u00fcr Steuerwaldt kommt erschwerend hinzu, dass der Tod von Hasenpflug einen weiteren D\u00e4mpfer bei der Nachfrage zur Folge hat.<\/p>\n

Als ob das alles nicht genug w\u00e4re, ereilt Steuerwaldt ein weiterer Schicksalsschlag. Im Jahr 1863 versterben seine Eltern kurz nacheinander. Sie sind f\u00fcr ihn zeitlebens ein wichtiger famili\u00e4rer R\u00fcckhalt und das finanzielle Fundament seiner Existens. Seiner Eltern beraubt, f\u00e4ngt f\u00fcr Steuerwaldt der \u00dcberlebenskampf richtig an.<\/p>\n

\"Wilhelm

Handgeschriebener Brief von Wilhelm Steuerwaldt. Im Besitz von Heiko G\u00fcnther.<\/p><\/div>\n

Wie angespannt seine finanzielle Situation ist, l\u00e4sst sich aus einem Brief an einen unbekannten Kunstliebhaber ablesen , der auf den 29. Juni 1859 datiert ist:<\/p>\n

\u00bbHochverehrter Freund!<\/p>\n

Da w\u00e4ren denn abermahls zwei Jahre wie im Fluge hingesaust, und Ihr ergebener Steuerwaldt tritt Ihnen
\nwie gew\u00f6hnlich mit einer Architectur im Winter vor die Augen: Motiv das Refectorium im alten Kloster
\nIlsenburg Preis 8 Friedrichs d or wenns nicht anders ist, auch 40 Thaler Courant, denn ich kann Geld gebrauchen, vor drei Wochen ist ein kleiner Sohn bei meiner Frau angekommen. Mutter und Kind sind Gott sei gedankt munter und wohl […] \u00ab<\/p><\/blockquote>\n

In dem Brief, der sich im Original im Besitz von Heiko G\u00fcnther befindet, ist von einem Sohn die Rede. Steuerwaldt meint damit sein Kind aus zweiter Ehe, dessen Geburt allerdings nicht in den Quedlinburger Kirchenregistern verzeichnet ist.<\/p>\n

Steuerwaldt muss sein Wohnhaus verkaufen<\/strong><\/p>\n

Die Zeichen stehen schlecht. Im Kampf um seine Existenz muss der Familienvater Steuerwaldt eine Niederlage einstecken. Im Jahr 1867 sind seine finanziellen N\u00f6te so gro\u00df, dass er sein langj\u00e4hriges Wohnhaus verkaufen muss. Das heute als Klopstockhaus bekannte Geb\u00e4ude erinnert ihn an bessere Tage, an seine Eltern und an seine erste Ehefrau. Es muss ihn geschmerzt haben, sich von diesem St\u00fcck Lebenserinnerung zu trennen.<\/p>\n

Er zieht mit seiner Familie zur Untermiete in das Haus mit der Adresse \u00bbKunst 169\u00ab. Das Haus wird knapp 100 Jahre sp\u00e4ter das Hotel Domschatz beherbergen.<\/p>\n

Steuerwaldt muss am Ende Zeichenunterricht am K\u00f6niglichen Gymnasium geben, das er selbst aus Geldmangel nicht besuchen konnte. Seine Sch\u00fcler begn\u00fcgen sich mit dem Reproduzieren von Arbeiten ihres Lehrers. Der Steuerwaldt-Experte Heiko G\u00fcnther meint dazu: \u00bbUm bequemer arbeiten zu k\u00f6nnen, stecken sie die Vorlagen mit Nadeln ab. Sie besch\u00e4digen Steuerwaldts Werke. Der Maler nimmt es hin.\u00ab<\/p>\n

G\u00fcnther sagt weiter: \u00bbF\u00fcr drei Monate Zeichenunterricht erh\u00e4lt Steuerwaldt nur einen Taler. Ein Witz im Vergleich zum Verdienst von Steuerwaldts Lehrer Hasenpflug. Dessen letzte Ruinenkompositionen erzielten um die 1000 Taler. Und Hasenpflug ben\u00f6tigte daf\u00fcr weniger als drei Monate.\u00ab<\/p>\n

Steuerwaldt stirbt am 7. Dezember 1871. Kurz vor seinem Tod beginnt er ein Bild, das eine Winterlandschaft mit Schloss zeigt. Es ist ein M\u00f6ch zu sehen, der aus einem Gew\u00f6lbe kommend in Richtung Friedhof zu gehen scheint. Hat Steuerwaldt sich selbst verewigt, in Vorahnung seines Lebensendes? Bereits nach dem Tod seines Lehrers Hasenpflug zeichnete Steuerwaldt ein \u00e4hnliches Werk. Es zeigt zwei M\u00f6nche, die eine winterliche Klosterhalle betreten.<\/p>\n

Das Verm\u00e4chtnis des Wilhelm Steuerwaldt<\/strong><\/p>\n

\"wilhelm-steuerwaldt-ein-sommermorgen\"

Wilhelm Steuerwaldt: Ein Sommermorgen<\/p><\/div>\n

Was von Wilhelm Steuerwaldt bleibt, ist die Erkenntnis, dass er w\u00e4hrend seines Lebens und dar\u00fcber hinaus im Schatten seines fast \u00fcberm\u00e4chtigen Lehrers Hasenpflug stand. Der Steuerwaldt-Experte Heiko G\u00fcnther ist \u00fcberzeugt, dass dem Maler damit Unrecht getan wird: \u00bbWir m\u00fcssen davon ausgehen, dass die ersten Werke mit dem Vorhalle-Ruine-Motiv und der Klosterruine Heisterbach von Steuerwaldt stammen und nicht von Hasenpflug, wie lange angenommen.\u00ab<\/p>\n

Steuerwaldts Werk hat dar\u00fcber hinaus eine gr\u00f6\u00dfere Bandbreite als viele glauben. Davon zeugt die impressionistisch gehaltene Arbeit \u00bbEin Sommermorgen\u00ab. Es ist eines seiner liebensw\u00fcrdigsten Bilder. Es zeigt einen Reiter mit seinem Hund im Vordergund und eine Stadt mit einem dar\u00fcber gespannten blauen Himmel im Hintergrund. Auch Genrebilder geh\u00f6ren zu Steuerwaldts Arbeiten. So zeichnet er mit der \u00bbRo\u00dftrappe\u00ab die Szene einer kleinen Ausflugsgesellschaft auf der Felsenterrasse des Hexentanzplatzes sitzend.<\/p>\n

Dank Steuerwaldt k\u00f6nnen wir heute auf eine F\u00fclle von Werken mit regionalen Motiven zur\u00fcckgreifen, die eine Liebeserkl\u00e4rung an seine Geburtsstadt Quedlinburg und das Harzer Land sind. Umso unverst\u00e4ndlicher ist es, dass sein Quedlinburger Grab eingeebnet wurde. Es wird Zeit, dass wir posthum \u00bbDanke\u00ab sagen: Wilhelm Steuerwaldt sollte einen Platz in den Geschichtsb\u00fcchern bekommen, der seinem Werk angemessen ist.<\/p>\n

Quelle:<\/p>\n

Der Text basiert auf einem Interview mit Heiko G\u00fcnther und seinem Buch aus dem Jahr 2011:<\/p>\n

Wilhelm Steuerwaldt \u2013 Auf den Spuren eines romantischen Harzmalers.
\nEs ist erschienen im Re Di Roma-Verlag und ist im Buchhandel erh\u00e4ltlich.<\/p>\n

Wir m\u00f6chten uns auf diesem Weg f\u00fcr die sehr angenehme Zusammenarbeit bei Herrn G\u00fcnther bedanken.<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":"

Unser Haus kann zurecht als K\u00fcnstlerhaus bezeichnet werden: Ab 1867 verbrachte hier der Quedlinburger Maler Wilhelm Steuerwaldt mit seiner Familie mehrere Lebensjahre. Steuerwaldt eroberte mit seinen romantischen Werken bereits zu Lebzeiten die Herzen des Publikums. Seine bekannteste Arbeit zeigt den Blick durch eine gotische Vorhalle auf die Klosterruine Heisterbach in einer verschneiten Winterlandschaft. Ein Gem\u00e4lde […]<\/p>\n","protected":false},"author":3,"featured_media":950,"comment_status":"closed","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"categories":[1],"tags":[],"acf":[],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/957"}],"collection":[{"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/users\/3"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=957"}],"version-history":[{"count":10,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/957\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":959,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/957\/revisions\/959"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/media\/950"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=957"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=957"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/hotel-domschatz.de\/en\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=957"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}